Freitag, 4. Dezember 2009

Pyro One - Tränen Eines Harlekins




Es ist mal wieder Zeit für eine kleine Runde „interpretiere das Albumcover“. Dieses Mal auf dem Seziertisch: „Tränen eines Harlekins“, das siebzehn Stücke starke Album des Berliner Pyro One und dessen Haus und Hof-Produzenten LeijiONE. Da hätten wir eine von Anfang bis Ende vollends zugezogene Wand aus finsteren Wolken inklusive Niederschlag und ein Blitz lässt sich ebenfalls erkennen. Ein Fabrikgebäude, das in seiner Verlassenheit etwas unerklärlich Bedrohliches ausstrahlt. Und natürlich die beiden Charaktere, die im Mittelpunkt der ganzen Sache stehen. Pyro One, hier ganz im Sinne des Albumtitels gekleidet und sein Beatbastler, welcher sich unaufdringlich hinter der weinenden Dienerfigur positioniert.

Sieht alles nun nicht gerade nach Sandkastenmusik mit Regenbogen-Charme aus, was da über Twisted Chords veröffentlicht wurde. Schlechte Musik muss deshalb aber noch lange nicht bei rauskommen, zumal die Konstellation von MC und festangestelltem Produzenten für die Beiden spricht. Ebenso wie das schon im Vorfeld freudig erwartete Gastspiel des großartigen, immer noch unterschätzen und zu wenig beachteten Chaoze One. Eben noch schnell also alle Gänseblümchen der näheren Umgebung gepflügt und sicher verwahrt, kann die Show beginnen.

Diese besticht schon während des ersten Hörens durch allerhand Kritik am Hier und Jetzt. So legt bereits „Zerrissen“ mit geraderaus gereimten Worten gegen die Szene los, was im Laufe der Stücke in Form von etwa „Pyrocore“ noch fortgesetzt wird. Schon hier weiß LeijiOne mit seinen Produktionen zu überzeugen und schafft saubere Basen für die lyrisch durchaus anspruchsvoll gestalteten Texte des auserkorenen Harlekins.

Damit noch lange nicht genug, bekommt auch die Gesellschaft ihr Fett weg. Tadellos umgesetzt etwa auf „Anruf beim Mensch“, das die Makel der heutigen Generation (Geldgier, Völlerei) hervorhebt und bei dem Pyro One einen feinen Blick auf seine Umwelt beweist. Fehlt noch eine Prise Sozialkritik (auf dem äußerst gelungenem „100m“ mit Ambigu MC oder „Narrenkappe“), ein paar Schelten für die Politik („Opferlamm“) und eine Nuance von Misanthropie („Tausend Dinge“ mit Kobito) – fertig ist der muntere Cocktail aus passenden Instrumentalen und Pyros lyrischen Ergüssen.

Äußerst unterhaltsam und stellenweise komisch auch „Mädchen im Netz“. Ein Track direkt am Puls der Zeit, der die nicht selten trügerischen Inszenierungen, insbesondere wenn es ums Anbändeln mit dem anderen Geschlecht geht, im WWW zum Thema hat. Mit eingängiger Hook versehen, kann man das Stück zu den absoluten Höhepunkten, neben „Spiegelbild“ mit Chaoze One und bereits erwähntem „100m“, von „Tränen eines Harlekins“ zählen. Jetzt könnte man noch Unmengen von lesenswerten Zitaten miteinfügen, die Pyro One im Laufe des Albums so vom Stapel lässt. Selber anhören macht aber mit Sicherheit um einiges mehr Spaß.

Zwar kann der stets dunkle Grundton in Verbindung mit der kaum wegzudenkenden Kritik auf die Dauer etwas anstrengend werden. So richtig stark ins Gewicht mag das dann aber doch nicht fallen, weshalb ich hier mal wieder einen Tipp weitergeben darf, den manch einer vielleicht bis heute noch nicht auf der Rechnung hatte.

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